Juni 1953

 

Die erste Ausgabe der vom ZR der FDJ für die kulturelle Arbeit der Jungen Pioniere und Schüler herausgegebenen Zeitschrift „Fröhlich sein und singen" („Frösi") erscheint. (7, S. 103)


01.06.1953

 

Das Präsidium des Ministerrates faßt einen Beschluß über die Reorganisation der Volkskontrolle. Die bisherigen Aufgaben der Volkskontrollausschüsse werden von den Standigen Kommissionen der örtlichen Organe der Staatsgewalt und ihren Aktivs, von den Haus- und Straßenvertrauensleuten, den freiwilligen Helfern der Volkspolizei sowie den Organen der gewerkschaftlichen Arbeiterkontrolle über Handel und Versorgung übernommen. (2, S. 123)


03.06.1953

 

Die sowjetische Parteiführung wiederholt ihre im April an die Parteispitze der DDR gerichtete Mahnung, den scharfen innenpolitischen Kurs zu lockern. (9, S. 90) Mutmaßlich zwischen dem 1. und 5. Juni reisen Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Fred Oeißner (alle SED) unter strenger Geheimhaltung nach Moskau. Von der sowjetischen Führung wird ihnen ein Dokument vorgelegt, das zahllose Fehler der SED auflistet, die in Moskau tiefe Besorgnis hervorrufen: «Das alles schafft eine ernste Gefahr für die politische Beständigkeit der Deutschen Demokratischen Republik. » Als Hauptursache wird genannt, daß «fälschlicherweise der Kurs auf einen beschleunigten Aufbau des Sozialismus in Ostdeutschland genommen worden war». Noch von Moskau aus gibt die Delegation Weisung an die SED-Führung in Ost-Berlin, die Formulierung «beschleunigter Aufbau des Sozialismus in der DDR» nicht mehr zu verwenden. (8, S. 163)


04.06.1953

 

In Eisleben (DDR) erzwingen die Bergleute des »Fortschrittsschachts« durch eine Arbeitsniederlegung die Rücknahme der Ende Mai von der DDR-Regierung beschlossenen Erhöhung der Arbeitsnormen. (9, S. 90)

 

Zur 125-Jahr-Feier der Technischen Hochschule Dresden findet ein Festakt statt, auf dem der Stellvertreter des Ministerpräsidenten Heinrich Rau die Festrede hält. (2, S. 123)


05.06.1953

 

Die Hochöfner der Maxhütte Unterwellenborn erfüllen ihren Halbjahresplan im Hochofenbetrieb um 25 Tage vorfristig. (2, S. 123)


06.06.1953

 

Der Ministerrat der UdSSR ernennt Generaloberst Gretschko als Nachfolger von Armeegeneral Tschujkow zum Oberbefehlshaber der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland. (2, S. 123)

 

6. - 7. 6. Auf einer Konferenz des ZK der SED und der Regierung mit «Vertretern der Landwirtschaft» in Ost-Berlin werden einige Maßnahmen der Zwangskollektivierung zurückgenommen. Es soll keine Enteignungen und Verhaftungen wegen Ablieferungsrückständen mehr geben, Gerichtsurteile gegen Bauern sollen «überprüft werden», die bisher nicht vorhandene Austrittsmöglichkeit aus der LPG wird angekündigt. Bauern, die «unter dem Einfluß feindlicher Propaganda und we gen überspitzter Maßnahmen staatlicher Organe die Republik verlassen haben», werden zur Rückkehr aufgefordert. (8, S. 163)


09.06.1953

 

Bereits am 5. Juni berät das Politbüro der SED die neue Lage. Jeder Anwesende erhält das Moskauer Dokument mit der Auflage, sich verbindlich zu äußern, ob er dem «neuen Kurs» zustimme oder nicht - höchst ungewöhnlich für die Arbeitsweise der SED. Am 9. Juni tritt das Politbüro zu einer Sondersitzung zusammen. Ohne den «Neuen 'Kurs» zu erwähnen, spricht es sich für dessen Einleitung aus. Selbst Mitglieder, die Walter Ulbricht ergeben sind wie Erich Honecker, kritisieren den Generalsekretär und dessen Politik. Im zwei Tage darauf veröffentlichten Kommunique heißt es: «Das Politbüro des ZK der SED ging davon aus, daß seitens der SED und der Regierung der DDR in der Vergangenheit eine Reihe von Fehlern begangen wurden.» «Eine Folge war, daß zahlreiche Personen die Republik verlassen haben.» Viele Maßnahmen der letzten Monate werden zurückgenommen, um «der entschiedenen Verbesserung der Lebenshaltung aller Teile der Bevölkerung und der Stärkung der Rechtssicherheit» zu dienen. Der neue Kurs macht allen Zugeständnisse - nur nicht den Arbeitern. Die brisante Frage der Erhöhung der Arbeitsnormen wird nicht angesprochen. (8, S. 163) Die neue Politik beinhaltet aber Verbesserungen der Lebenshaltung, Steuererleichterungen für Bauern und den gewerblichen Mittelstand, Erleichterungen im innerdeutschen Reiseverkehr, Rückgabe des Eigentums an zurückkehrende Flüchtlinge, Teilamnestie. (3, S. 968)


10.06.1953

 

Die DDR-Regierung unter Ministerpräsident Otto Grotewohl und Vertreter der evangelischen Kirche verständigen sich über eine Beendigung ihres Konflikts. Die Regierung erklärt sich bereit, das kirchliche Leben zu respektieren, die Kirche sichert zu, keinen Einfluß auf die Politik zu nehmen. (9, S. 90)


11.06.1953

 

Der Ministerrat der DDR bekräftigt den vom Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei (SED) zwei Tage zuvor verabschiedeten sog. Neuen Kurs in der Innen- und Wirtschaftspolitik. Das rigide Vorgehen beim Aufbau des Sozialismus soll abgemildert werden. Angestrebt wird eine »entschiedene Verbesserung der Lebenshaltung« und die »Stärkung der Rechtssicherheit«. (9, S. 90)

 

Die Erhöhung der Lebensmittelpreise wird zurückgenommen. Es bekommen wieder alle Bürger Lebensmittelkarten. Die Erhöhung der Arbeitsnormen bleibt allerdings bestehen. (3, S. 968)

 

Ministerpräsident Otto Grotewohl empfängt den auf dem V. Parteitag der LDPD neugewählten Parteivorstand. Es werden insbesondere Probleme der Aktivierung der Blockpolitik besprochen. (2, S. 124)

 

Das bisherige Staatssekretariat für Nahrungs- und Genußmittelindustrie wird in das Ministerium für Nahrungs- und Genußmittelindustrie umgewandelt. (2, S. 124)


12.06.1953

 

Otto Grotewohl zeichnet in einem Staatsakt zum „Tag des Lehrers" 29 hervorragende Lehrer und Erzieher mit dem Ehrentitel „Verdienter Lehrer des Volkes" und der Diesterweg-Medaille aus. (2, S. 124)


13.06.1953

 

Nach Angaben des Generalstaatsanwalts sind in der DDR seit Anfang Juni 4029 Personen freigelassen worden, die wegen Verstößen gegen das »Gesetz zum Schutze des Volkseigentums« inhaftiert waren. (9, S. 90)

 

Der Roman „Märzstürme" von 0. Gotsche erscheint. (13, S. 374)


14.06.1953

 

Das SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« kritisiert die »diktatorische und administrative« Art, mit der die Funktionäre der volkseigenen Betriebe und der Gewerkschaften in der DDR die Normenerhöhungen in den Betrieben gegen den Widerstand der Arbeiter durchzusetzen versuchten. (9, S. 90)


15.06.1953

 

DDR-Parteichef Walter Ulbricht räumt Fehler der Parteiführung beim Aufbau des Sozialismus ein. Die Partei habe nicht erkannt, so Ulbricht, daß das eingeschlagene Tempo bei der Sozialisierung zu hoch gewesen sei. (9, S. 90)


16.06.1953

 

In der Gewerkschaftszeitung "Trübüne" erscheint ein Artikel, der die vorgesehene Normerhöhung ausdrücklich bestätigt. Dieser Artikel ruft bei den Arbeitern Empörung hervor. (3, S. 968)

 

Aus Protest gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen treten Bauarbeiter auf der Stalinallee in Berlin (Ost) in den Streik. Mehrere tausend Personen schließen sich bis mittags einem Demonstrationszug zum Regierungssitz an. (9, S. 92)

 

Otto Grotewohl und Walter Ulbricht erläutern auf einer außerordentlichen Tagung des Berliner Parteiaktivs der SED die Politik des neuen Kurses und nehmen zu den in der Vergangenheit vorgekommenen Fehlern Stellung. (2, S. 124)

 

Das Politbüro des ZK der SED erklärt, daß die Erhöhung der Arbeitsnormen nicht mit administrativen Methoden, sondern allein auf der Grundlage der Überzeugung und der Freiwilligkeit durchgeführt werden darf, und schlägt vor, die von einzelnen Ministerien angeordnete obligatorische Erhöhung der Arbeitsnormen aufzuheben und den Beschluß der Regierung vom 28. Mai 1953 gemeinsam mit den Gewerkschaften zu überprüfen. (2, S. 124)

 

Das Presseamt beim Ministerpräsidenten teilt mit, daß der Beschluß der Regierung über die Erhöhung der Arbeitsnormen vom 28. Mai 1953 aufgehoben ist. (2, S. 124)


17.06.1953

 

Der Streik gegen die Normerhöhung in Ost-Berlin weitet sich auf 72 Städte und Ortschaften in der DDR zum Aufstand gegen das kommunistische Regime aus. Die Demonstrationen werden von sowjetischen Soldaten und DDR-Volkspolizisten gewaltsam zerschlagen. Über insgesamt 167 Kreise wird der Ausnahmezustand verhängt. (4)

 

Sowjetische Truppen schlagen die Erhebung gewaltsam nieder. (9, S. 92)

 

Westliche Rundfunksender verbreiteten die Nachricht von Arbeitsniederlegungen am Abend in der ganzen DDR. In vielen Großbetrieben bildeten sich Streikkomitees. (3, S. 968)


18.06.1953

 

In Ost-Berlin, Leipzig, Magdeburg und Jena werden etwa 20.000 Personen vorübergehend in Haft genommen. Von ihnen werden in den ersten Tagen 29 Personen von sowjetischen Standgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet und in den nächsten Monaten mindestens 1400 zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. (4)


21.06.1953

 

Das SED-Zentralkomitee bezeichnet den Aufstand vom 17. Juni als »faschistische Provokation«. In einer offiziellen Stellungnahme wird der sog. Neue Kurs bekräftigt. (9

 

Die Normerhöhung wird zurückgenommen, Fahrpreisermäßigung, Erhöhung der Mindestrenten und Forcierung des Wohnungsbauprogramms werden beschlossen. (4)

 

Dynamo Dresden gewinnt die Meisterschaft der DDR. (3966)


22.06.1953

 

Das Bezirksgericht Halle verurteilt die ehemalige SS-Aufseherin im KZ Ravensbrück, Erna Dorn, zum Tode. Während der Befreiung politischer Gefangener aus dem Gefängnis von Halle am 17. Juni war auch die zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilte Erna Dorn freigekommen. Sie nahm offensichtlich an den weiteren Aktionen in Halle teil. Das diente der SED-Propaganda als ausgiebig zitierter Beleg, den «faschistischen Charakter» des Auf Standes «nachzuweisen». (8, S. 167)


25.06.1953

 

Der Staatssicherheitsminister der DDR, Wilhelm Zaisser, teilt mit, daß beim Aufstand vom 17. Juni insgesamt 25 Menschen getötet wurden, darunter 19 Demonstranten. Westlichen Schätzungen zufolge ist die Zahl der Opfer deutlich höher. (9, S. 92)

 

Der Ministerrat faßt in Fortsetzung der Politik des neuen Kurses zur Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung Beschlüsse über die Lohnberechnung nach Aufhebung der Erhöhung der Arbeitsnormen, über die weitere Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsgütern, über die Verbesserung der Versorgung der Werktätigen mit Arbeitsschutzkleidung und -mitteln, über die weitere Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung mit Industriewaren, über Fahrpreisermäßigungen, zur Frage der Bezahlung ausgefallener Arbeitszeit und beschließt Verordnungen über Erleichterungen in der Pflichtablieferung und zur weiteren Entwicklung der bäuerlichen Wirtschaften und über die Erhöhung der Renten und der Sozialfürsorgeunterstützung. (2, S. 126)

 

Die erste Ausgabe der FRÖSI erscheint, bis 1955 alle 6 Wochen, dann monatlich. (35, S. 39)

 

Die "Frösi". (35, S. 39)


27.06.1953

 

Die Schriftsteller Stefan Heym und Max Zimmering erhalten den erstmals verliehenen Heinrich-Mann-Preis der Deutschen Akademie der Künste in der DDR. (9, S. 92)

 

Die von der Regierung erlassenen Richtlinien zur Förderung der Produktion des Handwerks und der privaten Industrie werden veröffentlicht. (2, S. 127)


28.06.1953

 

Veröffentlichung eines Telegramms von Präsident Wilhelm Pieck, der sich zur Kur in der Sowjetunion befindet, an die Bevölkerung der DDR. Darin fordert er die gesamte Bevölkerung auf, sich zur Durchführung der Politik des neuen Kurses eng um die Regierung zusammenzuschließen. (2, S. 127)

 

Mit Heinar Kipphardts "Shakespeare dringend gesucht" hat in den Berliner Kammerspielen das erste satirische Zeitstück der DDR in der Regie von Herwart Grosse Premiere. (35, S. 39)


30.06.1953

 

DDR-Justizminister Max Fechner betont in einem Interview, daß das Streikrecht in der DDR verfassungsmäßig garantiert sei. Daher dürften im Zusammenhang mit dem Aufstand vom 17. Juni nur solche Personen bestraft werden, die eines schweren Verbrechens überführt worden seien. (9, S. 92)

 

Präsident Wilhelm Pieck verleiht dem Generalsekretär des ZK der SED und Stellvertreter des Ministerpräsidenten Walter Ulbricht aus Anlaß seines 60. Geburtstages den Titel „Held der Arbeit". (2, S. 127)